16. März 2022, 19:00
OLGA PASTEKOVA
"THE WORLD IN BETWEEN"
Vernissage am Mittwoch 16. März 2022 um 19 Uhr
es spricht Maria Christine Holter, Kunsthistorikerin und Kuratorin
17.03. - 29.4. 2022
Submerged amusement parks, headless mermaids and animals roaming in this dystopian landscape are part of Olga Pastekova's pictorial creations. Fascinated and at the same time critically perceived remnants of the capitalist leisure industry, which the young Slovak artist works for in real fun parks that have been abandoned or have been devastated by natural disasters, such as the “Spreepark” in Berlin or the “Six Flags” park in New Orleans, the victim of Hurricane Katrina discovered himself. In Pastekova's comic-like panels - mixed techniques of acrylic glaze painting, woodworking through engraving and fire painting - fauna and flora reconquer the former places of heightened artificiality. The exhibition title "The World In Between" refers to this intermediate state, to the unstoppable process when man leaves the places he has created to themselves and thus to nature.
Olga Pastekova - THE WORLD IN BETWEEN
Olga Pastekovas Reflexionen über sogenannte „abandoned spaces“ – in ihrem Fall aufgelassene Vergnügungsparks – nicht nur von den Sujets her fesselnd, sondern auch durch die Wahl ungewöhnlicher Formate und der meisterhaft verwendeten Mischtechnik, auf die wir noch zu sprechen kommen werden. In Pastekovas comicartig zugeschnittenen Panelen – Acryllasurmalerei, Holzbearbeitung durch Gravur und Feuermalerei – erobern Fauna und Flora die einstigen Orte übersteigerter Künstlich- und Fröhlichkeit zurück. Der Ausstellungstitel „The World In Between“ verweist auf einen Zwischenzustand, auf den unaufhaltsamen Prozess, wenn der Mensch von ihm geschaffene Orte sich selbst und damit der Natur überlässt. Warum gerade menschenleere Vergnügungsparks? Es sind fasziniert, aber zugleich kritisch wahrgenommene Überbleibsel der kapitalistischen Freizeitindustrie, die die junge slowakische Künstlerin für sich entdeckt hat; und zwar durch tatsächliche Besuche in verlassenen Funparks, wie den „Spreepark“ von Berlin bei einer Residency in Berlin 2016, oder digital recherchierte, von Katastrophen heimgesuchte, wie den Park „Six Flags“ in New Orleans, einem Opfer des Hurricanes Katrina sowie den Vergnügungspark in der Nähe des verunfallten ukrainischen Kernkraftwerks Tschernobyl – Bilder, die wir aus heutiger Perspektive besonders bedrückend erleben.
Wenn wir uns nun aber der von Pastekova inszenierten Zwischenwelt zuwenden, umgeben uns in den teils unter-Wasser-gesetzten Vergnügungsorten geköpfte Meerjungfrauen, desolate Clowns, von Geisterbahnfassaden gestürzte Gerippe, verwaiste Karusselle, Hochschaubahnen und Autodrome. Aber vor allem die in dieser düsteren Szenerie herumstreunende Tiere – Wölfe, Füchse oder herrenlose Hunde – sind zentraler Bestandteil von Olga Pastekovas Bildschöpfungen und zwar schon seit vielen Jahren. Die Wildtiere vertreten im Narrativ der einzelnen Bilder den Menschen als Zeugen des surrealen Aufeinandertreffens echter Lebewesen und artifizieller Geschöpfe, weil der Mensch als einstiger Nutznießer der Funparks diese ja schon längst verlassen hat. Besonders einprägsam finde ich beispielsweise das Zusammentreffen eines Wolfs mit einem scheinbar aus dem Dornröschenschlaf erwachten, galoppierenden Karussellpferdchen oder den stillen Dialog eines Hochschaubahnwagon-Schwans (so wie Pastekova ihn als Objekt in den Erdgeschoß-Showroom inkludiert hat) mit einem etwas pikiert dreinschauenden Wolf. Das Tier nimmt mit uns Betrachterinnen und Betrachter Augenkontakt auf, wie um uns mahnend zu vermitteln, dass bereits das apokalyptische Szenario eines posthumanen Zeitalters, das Ende des Anthropozäns, angebrochen ist.
Die desolaten Funparks stehen bei Pastekova offensichtilich für den Teil eines Ganzen, sind Metapher für ein sich immer schneller drehendes Karussell von Katastrophenmeldungen, vermittelt über die allgegenwärtigen Medien – sei es nun über die Pandemie, die Olga mitten in der Serie traf, die Folgen der Klimaerhitzung oder nun auch noch über diesen unmenschlichen Krieg, der uns alle lähmt und schwer betroffen macht.
Maria Christine Holter
(Auszug aus der Einführung zur Ausstellung in der Galerie Michael Bella am 16. März 2022)